Lina Erpenstein im Interview - Deutschlands neue Top-Waveriderin

Deutschlands neue Top-WaveriderinLina Erpenstein im Interview

Sie ist weiblich, jung, schlau, kommt aus Deutschland und stellt mit ihren Loops die meisten Jungs in den Schatten. Lina Erpenstein fuhr gerade beim Worldcup auf Gran Canaria das erste Mal auf's Podium. Im WINDSURFERS-Interview stand die 20-Jährige Rede und Antwort.

von Lars Niggemeyer
Das erste Mal, als wir dich interviewt haben, warst du gerade 18 Jahre alt geworden und wurdest mit dem Nachwuchs-Preis der boot in Düsseldorf ausgezeichnet. Damals wolltest du erst einmal ein Jahr „Profi auf Probe“ sein. Wie hat das geklappt?
Es ist wirklich eine Menge passiert! Aus dem einen Jahr Profi auf Probe sind tatsächlich zwei Jahre geworden. Den Preis konnte ich sehr gut gebrauchten und habe das für meine Reisen verwendet. Sofort nachdem ich mein Abi-Zeugnis bekommen habe, bin ich dann auf die Kanaren geflogen. Da bin ich dann meinen ersten richtigen Wettkampf gefahren. Die Wettkämpfe liefen insgesamt ganz gut, ich bin overall dann 12. geworden. Im Winter war dann der Plan nach Australien zu gehen und da Work and Travel zu machen. Ich war in Geraldton (Western Australia, Anm. d. Red.), dem Heimatort von Jaeger Stone, habe da gearbeitet und war Nachmittags dann immer Windsurfen. Da habe ich richtig viel gelernt! Danach bin ich dann von Australien weiter nach Maui geflogen. Die sechs Wochen dort waren eine wahnsinnige Erfahrung.

Wow! Ho'okipa ist der feuchte Traum eines jeden Windsurfers, der schon einmal einen Windsurf-Film gesehen oder ein Surf-Magazin aufgeschlagen hat!
Ho'okipa zu surfen war wirklich ein echtes Erlebnis. Dort surft man dann tatsächlich mal neben Legenden wie Robby Naish! Es war der Wahnsinn. Danach war das Jahr dann leider auch schon fast rum. Danach bin ich wieder auf die Kanaren zu den Wettkämpfen. Da hat sich gezeigt, dass ich in dem Jahr tatsächlich viel gelernt habe und bin auf Anhieb sechste geworden. Nur in den Sprüngen war ich noch nicht ganz konstant. Ich war aber trotzdem schon super happy damit. Dadurch kam es dann dazu, dass ich mir gesagt habe, dass ich das eigentlich weiter machen will. Im Winter war ich dann erneut in Australien und es war nach der Aussage einiger Locals tatsächlich die beste Saison seit 20 Jahren. Es gab andauernd neuen Swell und in den zweieinhalb Monaten die ich da war, waren wir jeden Tag auf dem Wasser. Das hat mir nochmal einen ganz schönen Schub nach vorne gebracht.

Die Zeit zurück in Deutschland muss dir danach ja ziemlich trostlos vorgekommen sein!
Ich habe danach drei Monate in Kiel gewohnt und habe in einem Krankenhaus gearbeitet. Für das Medizin-Studium brauchte ich ein Praktikum.

Du hattest doch auch so ein Bomben-Abi oder nicht?
(Lina druckst herum, Anm. d. Red.) Ich hab tatsächlich ein 1,0er Abi gemacht. Wenn du unbedingt willst, kannst du das reinschreiben.
Lina Erpenstein im Interview - Deutschlands neue Top-Waveriderin
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Natürlich! Gerade das gesetztere Publikum auf Sylt, das deinen Namen googelt, freut sich bei sowas immer! Nach dem gerade vergangenem PWA Worldcup in Pozo/Gran Canaria bist du endgültig in der Weltspitze angekommen. Viele Frauen, die schon deutlich länger auf der Tour dabei sind, träumen immer noch vom verbliebenen Podiumsplatz hinter den Dauer-Siegerinnen Daida und Iballa Moreno. Wie war der Heat gegen die Favoritin Sarah-Quita Offringa?
Der Heat hat in erster Linie einfach nur total Spaß gemacht! Ich bin gar nicht unbedingt in der Erwartung in den Heat reingegangen, dass ich das irgendwie gewinnen kann.

Ehrlich gesagt habe ich das auch nicht erwartet.
Ich glaube niemand hat das so wirklich kommen sehen. Vor dem Heat habe ich kurz Daida Moreno getroffen und die hat gesagt, „Hey, konzentrier dich und hab' Spaß.“ Das hat mir Mut gemacht aber wirklich ernsthaft hätte ich nie gedacht, dass ich das schaffen kann. Ich bin dann einfach auf's Wasser, hab am Anfang dann ein bisschen Quatsch gemacht, aber dann relativ schnell meinen Rhythmus gefunden. Auf dem halben Weg durch habe ich dann realisiert, dass ich eigentlich ganz gut fahre. Ab dem Punkt hatte ich total Spaß. Gerade Pozo, wenn man nicht wie kurz vor dem Worldcup mit 50 Leuten auf dem Wasser ist und das Surfen eher zum Gerangel wird, wird zu zweit auf einmal zu einem echten Spielplatz. Es hat super Spaß gemacht, den Spot auf einmal für sich alleine zu haben. Ich war so schon glücklich, aber dann kam ich vom Wasser und dann hieß es am Strand auf einmal, „Du hast gewonnen!“ Ich konnte das nicht glauben.

Hast du gesehen, was Sarah-Quita während des Heats gemacht hat, oder hast du dich nur auf deine eigene Performance konzentriert?
Aus dem Augenwinkel sehe ich immer so ein bisschen, was die anderen machen. Aber eigentlich war ich eher im Tunnel.

Sarah-Quita ist immer im ICE-Radius um die Section herumgefahren, was vielleicht in großen Wellen funktioniert, aber nicht in Pozo. Dort sind kurze Turns, die mehr snappy sind, deutlich geiler. Das haben die Judges auch den ganzen Tag immer schon hoch bewertet, und genau das hast du gemacht.
Im Nachhinein habe ich mir den Heat noch einmal auf Video angeguckt und das war auf jeden Fall interessant zu sehen. Was am Ende den Unterschied gemacht hat, waren gar nicht mal die Sprünge, sondern die Wellen.

Wie sah das Duell in der Luft aus? Sarah-Quitas Pushloops sind eine Wucht und damit hat sie eigentlich immer - außer gegen die Moreno-Twins - die Nase vorne.
Letztes Jahr habe ich auch schon ein paar Pushloops gestanden, aber ich war noch nicht konstant genug, um die im Heat zu zeigen, dieses Jahr habe ich gerade in der Woche vor dem Event nur Pushloops gemacht. Das ist in Pozo mit dem Onshore-Winkel nicht ganz einfach. Das ist echt noch einmal was anderes und deswegen war es gut, dass ich da so viel Training rein investiert habe. Einen Pushloop konnte ich dann tatsächlich im Heat zeigen. Und mit zwei guten Sprüngen macht das auch schon einen enormen Unterschied.
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War Sarah-Quita danach angefressen? Sie meinte auf Instagram, dass sie sehr enttäuscht war.
Nee, Sarah-Quita ist tatsächlich die fairste, beste Worldcup-Fahrerin, die ich kenne. Natürlich war sie ein bisschen traurig. Wir fahren da alle mit, weil wir letztendlich gewinnen wollen. Sie kam direkt zu mir hat mir gratuliert, sich gefreut und wir waren danach auch zusammen ein Eis essen.

Auf jeden Fall endete der erste Worldcup der Saison in deinem ersten Podium. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Also erstmal war die Single-Elimination schon am Montag fertig und danach lag noch eine ganze Woche vor uns, in der möglich war die Double-Elimination zu fahren. Da müsste ich dann noch einmal gegen den vierten Platz fahren. Mein Heat war drei-vier mal kurz davor gestartet zu werden. Ich weiß gar nicht mehr, wie häufig ich die Probe-Fahrt vor dem Heat gemacht habe, und jedes mal ist er doch nicht gestartet worden. Also die ganz Woche war eine starke Nerven-Strapaze. Das was ich in dieser Woche auf jeden Fall gelernt habe, ist dass man den Platz, den man da oben hat auch verteidigen muss. Als es dann hieß, dass der aktuelle Stand das End-Ergebnis bleibt, ist eine Wahnsinns-Anspannung von mir abgefallen.

Ändert sich dadurch etwas für dich - monetär? Es ist ein offenes Geheimnis, dass Frauen als Profi-Windsurferinnen unfassbar schlecht bis gar nicht bezahlt werden. Wie kommst du über die Runden? Zu allen Tourstops zu kommen geht ja nicht mal einfach so.
Das ist leider tatsächlich ein großes Thema. Es ist schwierig. Frauen werden in der Szene nicht wirklich ernst genommen. Ich hatte das Gefühl, dass sich das zuletzt in dem Worldcup geändert hat. Justyna Sniady ist auch sehr sehr gut gefahren und dadurch hat sich so ein bisschen der Ton geändert. Bezahlung-mäßig sind die Frauen den Männern auf keinen Fall gleichgestellt, das ist schon ein bitterer Unterschied. Ich kann auch nicht vom Windsurfen leben. Ich arbeite über das Internet, oder wenn ich mal irgendwo länger bin, es kommen Preisgelder dazu, aber es ist eher ein Flickenteppich. Am Ende geht das nicht ohne Unterstützung von Zuhause.

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