Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“

Nick Spangenberg im Interview„Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“

von Willem Trahn
Wie überwindest du die Herausforderung, als Windsurfer aus Nordhessen in einer nicht küstennahen Region zu leben und was macht dies für deine Perspektive im Sport aus?
Die Frage habe ich schon oft gestellt bekommen (lacht). Viele Leute verstehen nicht, warum ich nicht nach dem Abi nach Kiel gezogen bin. Beruflich wäre das auch kein Problem gewesen, da ich mein Lehramtstudium auch in Kiel hätte starten können. Ich halte aber an den Gedanken fest, Windsurfen hier in Nordhessen bekannter zu machen. Zum Teil klappt das auch, da lokale Medien nun mal auf einen Profiwindsurfer, der nicht am Meer lebt, aufmerksam werden. Das heißt natürlich auch, dass ich für gute Trainingssessions immer viel Auto fahren muss, aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn ich dafür sehen kann, wie der Sport und die Community hier wächst. Daher ist es für mich bisher noch nicht in Erwägung gekommen, hier in den nächsten ein bis zwei Jahren wegzuziehen. Wir haben hier in der Nähe sogar einen Surfclub. Der Spot ist zwar nur ein Baggersee und somit nicht mit irgendwelchen Spots am Meer vergleichbar, aber natürlich besser als nichts. Man kann sich das so vorstellen, dass man bei zwei Stunden auf dem Wasser froh sein kann, wenn man 10 - 20 Mal im Gleiten war. Aber es gibt natürlich auch zwischendurch gute Tage und die Leute sind nett. Ich würde sagen, ich komme hier an meinem Homespot so 30-40 Mal im Jahr aufs Wasser, da wird dann aber auch jeder windige Tag ausgenutzt (lacht).

Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal vom Windsurfen zu leben? Oder bleibt es ein teures Hobby?
Das ist schwer zu sagen. Ich meine, das Studium mache ich halt, weil ich weiß, dass es super schwer ist vom Windsurfen zu leben. Selbst die besten zehn Athleten haben Probleme ihr ganzes Leben lang mit dem Geld auszukommen. Deswegen studiere ich aktuell, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Aktuell genieße ich die Freiheit, da ich rein theoretisch machen kann, was ich möchte. Bei mir wird das Studium natürlich nicht in der Regelstudienzeit fertig sein, aber dafür habe ich halt viele Jahre das Privileg gehabt, am Weltcup teilzunehmen und den Sport relativ professionell auszuüben. Das versuche ich, so lange es geht zu machen. Und wenn es dann irgendwann nicht mehr geht, weil die Sponsorenverträge vielleicht gekürzt werden, dann habe ich immer noch die Möglichkeit, direkt als Lehrer zu arbeiten.
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Welche Fächer machst du?
Ich mache Sport und Ethik. Das ist total praktisch. Da ich z.B. in Ethik nur Hausarbeiten anstatt Klausuren schreibe, kann ich die von überall aus machen. Sport ist ein bisschen schwieriger, weil ich da halt auch eigentlich nur drei bis vier Fehltermine im Semester haben darf. Jedoch habe ich hier als Profisurfer eine Sonderregelung, die es mir erlaubt auch an Wettkämpfen zeilzunehmen, obwohl ich eigentlich an der Uni sein müsste. Das ist ein weiterer Grund, warum ich in Hessen geblieben bin. Da wäre ich in Kiel, wegen den vielen anderen Profisurfer untergegangen und hätte die Genehmigung vielleicht nicht bekommen.
Also von daher sehe ich das alles ganz entspannt.

Woran trainierst du zurzeit und was sind deine persönlichen Ziele in Bezug auf Tricks und Manöver für die kommende Zeit?
Momentan bin ich dabei den Double Forward zu lernen, das ist definitiv mein Ziel für diese Saison. Ansonsten hatte ich in Südafrika viel an dem Goiter gearbeitet, den Move finde ich auch echt cool. Ansonsten arbeite ich immer ein wenig daran, meine mentalen Blockaden beim Sprung loszuwerden. Durch den Mittelfußbruch habe ich da teilweise immer noch ein ungutes Gefühl.

2018 hattest du ebenfalls eine schwere Rückenverletzung. Wie kannst du die Herausforderung von deinen verschiedenen Verletzungen im Laufe der Jahre umgehen und dich trotzdem weiter pushen?
Ich hatte damals beim Wellenreiten in Dänemark auf einmal einen starken Krampf in der Wade. Ich hatte das Gefühl als wäre ich von einem Hai gebissen worden. Kurze Zeit später hatte ich dann kaum noch Gefühl in beiden Beinen und konnte nicht mehr Laufen. Es hat sich herausgestellt, dass ich im Spinalkanal eine Fistel hatte, die die Blutzufuhr zu den Beinen blockiert hatte. Ich musste dann auch gleich operiert werden und danach immer wieder für diverse Untersuchungen zum Arzt. Das war für mich echt eine schwere Zeit und ich musste mich sehr zusammenreißen, an schönere Momente zu denken. Ich habe das Gefühl, dass ich aus dem ganz viel lernen konnte und es hat mir gezeigt, zu welch einer mentalen Stärke man eigentlich in der Lage ist. Außerdem hilft es mir sehr Windsurfen zu gehen, wenn ich gestresst bin oder es mir schlecht geht.
Vor kurzem ein Freund von mir gestorben und dann bin ich gleich ein Tag später aufs Wasser um den Kopf freizubekommen. Die Klarheit im Kopf, wenn man alleine inmitten der Natur ist, schätze ich sehr am Windsurfen. Sie hilft mir in vielen Situationen.
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Nick Spangenberg im Interview: „Ich möchte Windsurfen in Nordhessen bekannter machen“
Wie sieht es denn heutzutage mit deiner Gesundheit aus?
Mittlerweile ist alles wieder gut. Ich war vor 3 Wochen extra in der Schweiz zur Untersuchung und da hat sich gezweigt, dass alles verheilt ist. Jedoch habe ich bei jedem kleinen Rückenschmerz gleich das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt, wobei das natürlich nur mental ist. Vor allem beim Wellenreiten hatte ich dann lange Zeit eine Blockade, die ich jetzt aber endgültig auf Maui überwunden habe.

Kannst du einen besonderen Moment oder einen speziellen Wettkampf in deiner Karriere hervorheben, der dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Es gab zwei Momente, die besonders wichtig für mich waren und auch immer noch sind. Das war einmal 2017 in Marokko bei dem IWT World Cup, der gleichzeitig auch mein erster internationaler Event war. Ich hatte es erstaunlicherweise auf Platz 4 in der U21-Wertung geschafft. Das hat mich extrem motiviert, weiter meine Ziele zu verfolgen. Das nächste Highlight war dann 2022 der World Cup in Dänemark, wo ich Vizeweltmeister wurde. Das war dann auch mein Sprungbrett in das professionelle Windsurfen.

Mit Skills in Wave, Freestyle und auch Slalom bist du ja eine ziemliche Allzweckwaffe. Wie schätzt du dich selber ein, in welcher Disziplin bist du am besten und welche macht dir am meisten Spaß?
Slalom fahre kaum noch, da habe ich nicht mal mehr eigenes Material zu Hause. Wave ist definitiv meine Stärke und Leidenschaft, aber Freestylen mache ich auch gerne, wenn es mal keine Wave-Bedingungen gibt. Da merke ich auch, wie das Erlernen von manchen Tricks, mir bei anderen Tricks in der Welle helfen kann. Also z.B. hilft der Flaka beim Freestylen enorm dabei den Taka in der Welle zu lernen.

Danke für das Interview und alles Gute für die kommende Saison.

Fotos: PWA/John Carter, Nick Spangenberg privat

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