Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch

Nationalpark OstseeAuch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch

Auch auf Wittkielhof in der Nähe von Kappeln fand der Nationalpark Ostsee bei einer weiteren Informationsveranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen keine Zustimmung in der Bevölkerung. Das von Robert Habeck einst gerügte Vorschreiber-Image wollte die Partei eigentlich ablegen. Was wird jetzt aus der Umsetzung eines Nationalparks an der Ostsee in der Konsultationsphase?

von Sven Block
Der Touristikverein Ferienland Ostsee lud zusammen mit dem Touristikverein Kappeln ebenfalls zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Nationalpark Ostsee ein. Katja Günther, Staatssekretärin des Umwelt-Landesministeriums, nutzte diesmal zusammen mit ihrem Team Franziska Junge, Kristina Wegener und Thomas Kissing die Gelegenheit, um für die Idee eines Nationalparks an der Ostsee zu werben. Über 300 Gäste hatten sich in der Eventscheune auf Wittkielhof im Kreis Schleswig-Flensburg eingefunden, um den Darlegungen der Staatssekretärin zu folgen, Positionen der anwesenden Interessenvertreterinnen und -vertreter zu hören und um sich rege an der anschließenden Diskussion zu beteiligen, die Moderator Heinrich Nissen als sachlich und fair zu bewerten wußte.

Dass die Ostsee und die Küstenbereiche schützenswerte Räume sind, war ebenso Konsens unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wie das Ziel, ihren Zustand nachhaltig zu verbessern. Ob ein Nationalpark dafür das richtige Mittel sei, wurde aber erneut kritisch beurteilt. Gut 160.000 Hektar Fläche, ein Gebiet von Flensburg bis zur Schlei, von Eckernförde bis zur Strander Bucht inklusive des Stollergrunds und weite Teile der ostholsteinischen Künste mit Ausnahme der stark tourismusaffinen Lübecker Bucht, hatte das schleswig-holsteinische Umweltministerium identifiziert, die zu einem Nationalpark ausgewiesen werden sollen, um eine größere und nachhaltigere Schutzzone als die bereits bestehenden Naturschutz-, Natura 2000- und FFH-Gebiete zu errichten.

Bislang, betonte die Staatssekretärin, befände sich die Frage, ob ein Nationalpark eingerichtet wird, noch in der Findungsphase. Es gäbe, so Katja Günther, noch kein fertiges Gesetz, das in irgendeiner Schublade läge. Die Entscheidungen werden nur im Dialog mit den Menschen vor Ort getroffen, schließlich solle das Projekt am Ende ein Gewinn für alle sein, bevor darüber zur Mitte der Legislaturperiode im Kabinett entschieden werde.
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Thomas Jepsen, stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Schleswig-Flensburg stellte klar, dass sowohl ob und wie eines Nationalparks geprüft werden müsse. Es gehe im Konsultationsprozess darum auszuloten, ob ein Nationalpark das richtige Instrument zur Verbesserung der Ostsee sei oder ob es bessere Ansätze gebe. Ein Nationalpark dürfe nicht gegen die Menschen in der Region entstehen.

Kappelns Bürgermeister Joachim Stoll plädierte dafür, den Konsultationsprozess als einen „Wettbewerb der besten Ideen“ zu verstehen, an dessen Ende nicht zwingend ein Nationalpark herauskommen, aber die Verbesserung des Zustandes der Ostsee erklärtes Ziel sein müsse, ohne Tourismus und traditionelle Fischerei zu gefährden. Letztere sei, so Lorenz Marckwardt, Vorsitzender des Landesfischereiverbandes, schon dann in ihrer Existenz gefährdet, wenn die grundberührende Fischerei ganz verboten werde, was EU-Pläne für eine nachhaltigere Fischerei für die Nordsee bereits vorsehen. Hotelier Bo Teichmann, selbst bekennender Naturfreund und begeisterter Wassersportler, befürchtet Reglementierungen im Tourismus, die zu unnötigen weiteren verwaltungstechnischen Herausforderungen und Bürokratiehürden führen könnten. Auch Björn Brüggemann, Initiator der Petition gegen Wassersportverbote, der jetzt Sprecher der Initiative Freie Ostsee Schleswig-Holstein ist, betonte in der Diskussionsrunde die Gefahr, dass die Entscheidungskompetenz in einem Nationalpark am Ende an Bund und EU gingen und ungewünschte Reglementierungen und Restriktionen in allen Bereichen nach sich ziehen könne. Er sei skeptisch, ob es hinter den Kulissen wirklich noch um eine grundsätzliche Prüfung zur Errichtung eines Nationalparks an der Ostsee ginge oder nur noch um die Art und Weise.

Als der Moderator das Plenum am Ende um ein Stimmungsbild bat, hob kein einziger der anwesenden Gäste die Hand, um für die Errichtung eines Nationalpark zu stimmen. Die Gegenprobe ergab zwar vereinzelte Enthaltungen, fiel aber so gering aus, dass der Grünen-Kreistagsabgeordneten Uta Bergfeld schließlich der Kragen platzte. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie schrecklich sich das für mich anfühlt, dass wir anfangen über eine gute Idee zu reden - und was bei mir jetzt ankommt ist, wir wollen das einfach nicht. Wir können das besser machen, nämlich den Dialog führen und gemeinsam etwas Gutes für unsere Natur und Ostsee tun - und genau das wurde gerade angeboten“, äußerte sie sich entsetzt über das eindeutige Votum.
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Nationalpark Ostsee: Auch in Schleswig-Flensburg kein Zuspruch
Ob eine Idee, die auf keine Stimme zählen kann, am Ende das Prädikat gut verdient, wäre eine selbstkritische Frage, die sich die Sprecherin des Kreisvorstands der Grünen in Schleswig-Flensburg gegebenenfalls auch hätte stellen können. Dass in einer repräsentativen Demokratie auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen, ist unbestritten, für den Nationalpark Ostsee wollten die Grünen diesen Weg aber nicht gehen. Es war Robert Habeck, der nach dem Debakel bei der Bundestagswahl 2013 genau für diesen radikalen Neuanfang bei den Grünen plädierte. „Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt“, erklärte er damals dem Spiegel. „Wir haben uns ein Vorschreiber-Image erworben, etwas Spießbürgerliches, das wir nie sein wollten.“ Die Grünen, so urteilte Robert Habeck damals, seien eine „etatistische Partei“ geworden, durch deren Wahlprogramm sich „die moralische Erziehung des Menschengeschlechts“ ziehe, womit er den Titel einer späten Aufklärungsschrift von Gotthold Ephraim Lessing ins Spiel zu bringen wusste 1).

Es ist kaum zu bezweifeln, dass der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt dieser von Robert Habeck empfohlenen Maxime beim Nationalpark Ostsee folgt und mit den Informationsveranstaltungen, Workshops und der Konsultation ein Stück Deliberativismus in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen versucht. Die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegen den Nationalpark Ostsee ist dabei, wenn vielleicht nicht einkalkuliert, so zumindest erwartet worden. Die Skepsis, so Tobias Goldschmidt bei der Informationsveranstaltung in Eutin, sei auch beim Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer zunächst groß gewesen, am Ende hätte sich aber die Bevölkerung damit arrangiert und der Umsetzung auch Positives abgewinnen können. Dass es sich hier um unterschiedliche Strukturregionen handelt und sich die jetzt betroffenen Städte und Gemeinden an der Ostsee nicht schon in „einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand“ befinden, wie es das Bundesnaturschutzgesetz für einen Nationalpark großflächig vorsieht 2), wird auch dem Minister nicht entgangen sein und das scheint zurzeit auch der springende Punkt zu sein, warum der Nationalpark auf der Ostseite von Schleswig-Holstein auf so wenig Gegenliebe stößt.

Auch die jetzt anstehenden Workshops mit den Interessenverbänden mit Landwirtschaft/Wasserwirtschaft, Tourismus, Fischerei, Wassersport, Naturschutz, Regionalentwicklung und Kommunen folgen einem eher deliberativen Prinzip mit öffentlichen Diskurs und Konsultation. Wenn Ergebnisse entstehen, die dem Umwelt- und Naturschutz dienen, sind sie allemal wünschenswert und so wird es dabei auch um Kompromissbereitschaft der Interessenvertreterinnen und -vertreter gehen müssen. Die Grünen werden daran zu messen sein, ob sie bei der ausbleibenden Resonanz zur Ausweisung eines Nationalparks an der Ostsee von dem von Robert Habeck gerügten Image des Vorschreibens befreit haben und Gegenpositionen nicht nur zulassen, sondern in ihrer konkreten politischen Gestaltung auch zu berücksichtigen bereit sind. Mit guten, aber ergebnisoffenen Resultaten in den Workshops könnten sie dabei sogar punkten. Wenn es, wie von Joachim Stoll vorgeschlagen, eher ein Wettbewerb der besten Ideen wird und nicht schon ein Verhandlungsgeschacher, das die Frage, ob es am Ende ein Nationalpark werden soll, bereits übersprungen hat, umso besser.

Fotos: Frithjof Blaasch (bulgenslag.de), bsp Media Anton Bredow, Dominik Röckl und Steffi Wahl

1) Habeck rechnet mit grünen "Spießbürgern" ab und »Jeden Zauber eingebüßt«, Spiegel 24.09.2013
2) Bundesministerium für Justiz: Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), §24 (1) 3.

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